Aus Sorge um eine Verschlechterung des Kinderschutzes und die Aussetzung fundamentaler Prinzipien für eine vertrauensvolle Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Eltern haben sich auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF e.V.) und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutz-Zentren 12 Fachverbände, Organisationen, Expertinnen und Experten auf ein gemeinsames Positionspapier verständigt.
Ziel des Positionspapieres ist, die Fachöffentlichkeit für die möglichen Folgen der Regelung des § 4, Absatz 6 KKG zu sensibilisieren und eine Debatte über Rahmenbedingungen gelingender Kooperation zwischen Jugendhilfe, Medizin und Psychotherapie anzustoßen. Die BAG KIZ und die DGSF planen dazu im Herbst 2023 außerdem ein Fachforum "Kooperativer Kinderschutz". Weitere Informationen dazu folgen in Kürze.
Hintergrund
Mit der Reform des SGB VIII und der Einführung des § 4, Absatz 6 KKG wurde es den Bundesländern freigestellt, Formen des nicht anonymisierten interkollegialen Fachaustauschs unter Ärztinnen, Ärzten und psychologischen Psychotherapeutinnen/ -therapeuten zu ermöglichen. Völlig unklar bleibt dabei jedoch, was genau ein interkollegialer Austausch im Sinne des KKG ist, welche Informationen dort ausgetauscht werden und wie die Einbeziehung bzw. Information der Betroffenen zu erfolgen hat.
Mit der vage formulierten und im Beteiligungsprozess zur Novellierung des Kinder- und Jugendhilferechts kaum diskutierten Regelung wird eine Praxis ermöglicht, in die jetzt nicht nur Ärztinnen und Ärzten unterschiedlicher Fachdisziplinen, sondern auch psychologische Psychotherapeutinnen/ -therapeuten eingebunden. Diese Praxis hebelt eine bundeseinheitliche Verfahrensweise im Kinderschutz, wie sie das Bundeskinderschutzgesetz ursprünglich vorsieht, aus. Das Anliegen der Befürwortertenden dieser neuen Regelung ist es, im Spannungsfeld von Schweigepflicht und Informationsweitergabe für besondere Gruppen von Berufsgeheimnisträgern im Gesundheitswesen eine stärkere Rechtssicherheit zu schaffen und dadurch Kindeswohlgefährdungen frühzeitiger zu erkennen.
Mögliche landesrechtliche Regelungen könnten es Angehörigen von Heilberufen erlauben, bei Anzeichen einer Kindeswohlgefährdung ohne Wissen der betroffenen Kinder und Familien Informationen, die vorher der Schweigepflicht unterlagen, untereinander auszutauschen. Daten und Anhaltspunkte zu Kindern und Familien, die noch nicht konkret genug für eine Mitteilung an das Jugendamt sind, können weiterführend auf einer für andere Ärztinnen, Ärzte und psychologischen Psychotherapeutinnen/ -therapeuten zugänglichen Plattform ohne Wissen der Betroffenen digital gespeichert werden, um ggf. später genügend Anhaltspunkte zusammentragen und einen Kinderschutzfall erkennen zu können.