Immer mehr Kindern fällt es schwer zu hüpfen, einen Ball zu fangen oder einen Purzelbaum zu schlagen. Sie wirken in ihren Bewegungen unsicher, ungelenk und mitunter tollpatschig. Dahinter können sich motorische Entwicklungsstörungen verbergen. Laut Daten der KKH Kaufmännische Krankenkasse leiden darunter immer mehr Kinder und Jugendliche. So stieg die Zahl betroffener 6- bis 18-Jähriger von 2011 auf 2021 um 43,5 Prozent, bei den Mädchen sogar um rund 50 Prozent. "Haben Heranwachsende Schwierigkeiten, sich zu bewegen, kostet sie das nicht nur enorme Energie und Konzentration, sondern kann auch empfindlich an ihrem Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl nagen", sagt Vijitha Sanjivkumar vom Kompetenzteam Medizin bei der KKH. "Kommen Hänseleien durch Gleichaltrige hinzu, kann das seelische Gleichgewicht in Schieflage geraten, zu Frustration und Isolation führen."
Drei Prozent der bei der KKH versicherten Kinder und Jugendlichen erhielten im Jahr 2021 die Diagnose 'Motorische Entwicklungsstörung'. Dabei waren Jungen mehr als doppelt so häufig betroffen wie Mädchen (4,2 zu 1,8 Prozent). Motorische Defizite sind nach Meinung der KKH-Expertin ernst zu nehmen, denn: "Sie können die Kindesentwicklung beeinflussen und mit Verhaltensauffälligkeiten einhergehen. Auch Übergewicht und andere Erkrankungen können die Folge sein." Motorische Probleme können die Grobmotorik betreffen wie Laufen, Hüpfen oder Balancieren. Sie können sich aber auch auf die Feinmotorik, sprich Geschicklichkeit der Hände, auswirken und das Essen mit Besteck, Schreiben oder Basteln erschweren. Die Ursachen für motorische Entwicklungsdefizite bleiben oft ungeklärt. Organische und genetische Faktoren können ebenso eine Rolle spielen wie psychische oder auch psycho-soziale.
"Nicht hinter jedem Stolpern oder Sturz mit dem Rad muss eine Entwicklungsstörung der Motorik stecken", relativiert Vijitha Sanjivkumar. "Doch haben Eltern den Eindruck, ihr Kind lernt spät zu gehen, zu laufen oder Schuhe zu binden oder bewegt sich unbeholfen und ungeschickt, sollten sie ihren Kinderarzt oder ihre Kinderärztin um Rat fragen." Entwicklungsstörungen der Motorik können mit verminderter Gelenkigkeit, Körperkoordination und Gleichgewichtskontrolle einhergehen sowie auch mit weniger Kraft und Fitness. Mitunter wächst sich eine Bewegungsstörung mit den Jahren aus, kann aber auch bis ins Erwachsenenalter fortbestehen. Schränken motorische Probleme ein Kind langfristig erheblich ein, kann ärztlich verordnete, gezielte ergo-, physiotherapeutische und eventuell auch psychotherapeutische Behandlung helfen.
Und was können Eltern tun?
"Nutzen Sie daheim jede Gelegenheit und üben Sie mit Ihrem Kind Bewegungen, die ihm schwerfallen – mit Geduld und viel bestärkendem Lob", rät die KKH-Expertin für Kindergesundheit. "Seien Sie Vorbild und ermuntern Sie Ihr Kind, sich so oft und so vielfältig wie möglich draußen wie drinnen zu bewegen. All das fördert nicht nur motorische Fähigkeiten wie beispielsweise die Koordination von Armen und Beinen, sondern mindert Versagensängste und stärkt das Selbstvertrauen." Auch ist es ratsam zu beobachten, welche sportlichen Aktivitäten Kindern Spaß machen und sie nicht überfordern, um diese gezielt zu fördern. Entscheidend bei all dem ist, betroffenen Kindern etwas zuzutrauen, ihnen Mut zu machen und nachsichtig zu sein, wenn etwas nicht so gelingt. Schließlich ist jede Bewegung und jede Bewegungserfahrung besser als keine.
Noch ein Hinweis: Im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen für Kinder vor Schulbeginn werden die motorische Geschicklichkeit und das Bewegungsverhalten gecheckt. Mehr dazu unter kkh.de/leistungen/familie-kind/kleinkinder/vorsorge
Basis für die Analyse bilden anonymisierte Daten von rund 200.000 KKH-Versicherten im Alter von 6- bis 18-Jahren nach ICD-10 (F82). Die KKH Kaufmännische Krankenkasse ist eine der größten bundesweiten gesetzlichen Krankenkassen mit rund 1,6 Millionen Versicherten.