Der Missbrauchsskandal der Jahre 2010/11 rückte das Thema des Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt in pädagogischen Kontexten erstmals mit nachhaltiger Empörung in den öffentlichen wie fachlichen Fokus. Die gesellschaftliche Empörung war groß, pädagogische Fachkräfte fühlten sich fortan nicht selten unter Generalverdacht gestellt und zahlreiche Organisationen waren nun innerhalb kürzester Zeit bereit, in Orientierung an den Leitlinien des Runden Tisches Sexueller Kindesmissbrauch, Konzepte für den Schutz vor sexualisierter Gewalt in ihren pädagogischen Einrichtungen zu implementieren. Ein Bestandteil dieser Schutzkonzepte soll die freiwillige Selbstverpflichtungserklärung (Ehrenkodex, Verhaltenskodex etc.) sein. In der Folge legten zahlreiche Organisationen ihren Fachkräften und Mitarbeitenden (individuelle) Selbstverpflichtungen vor, um diese auf den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt in ihrer pädagogischen Arbeit zu verpflichten. Auch die Organisationen verpflichteten sich mit einer (institutionellen) Selbstverpflichtung auf den Schutz vor sexualisierter Gewalt in ihren pädagogischen Einrichtungen und unterzeichneten eine Kooperationsvereinbarung mit dem/der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Die Frage nach der Wirkung dieser individuellen und institutionellen Selbstverpflichtung für den Schutz vor sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen in pädagogischen Kontexten wurde in der vorliegenden Arbeit wissenschaftlich untersucht und beantwortet.
Um die Gesamtforschungsfrage (differenziert in zehn Forschungs- und 32 Interviewfragen) beantworten zu können, wurden Interviews mit pädagogischen Fachkräften und Mitarbeitenden geführt und die generierten Antworten inhaltlich-strukturanalytisch sowie verstehend-interpretativ bearbeitet. So ging es in der Ausdifferenzierung der Gesamtforschungsfrage unter anderem um Fragen nach der gemeinsamen Erarbeitung von Werten und Normen für den Schutz vor sexualisierter Gewalt in pädagogischen Kontexten oder auch den Einfluss und die Bedeutung der Selbstverpflichtung im Sinne von (sozialer) Kontrolle. Dabei bezieht die Autorin die individuelle Selbstverpflichtung zum einen auf die Perspektive sozial professionell Handelnder und zum anderen auf die Perspektive potentieller Täterinnen und Täter in pädagogischen Handlungsfeldern. Im Ergebnis und mit Bezug auf letztere Perspektive entwickelt die Autorin das System partizipativer Kontrolle und beschreibt neben der Wirkung auch die Voraussetzungen, unter denen eine individuelle Selbstverpflichtung in der pädagogischen Praxis den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt bewirken und wie diese damit auf potentielle Täterinnen und Täter wirken kann. Die Wirkung und das Wirksamwerden der Selbstverpflichtung bezogen auf die Perspektive sozial professionell und ehrenamtlich Handelnder entwickelt die Autorin entlang der Professionalisierung pädagogischen Handelns.